Montag, 9. Januar 2012

Seafrance: Eurotunnel will einsteigen

Der Tag, an dem das Handelsgericht in Paris über die Zukunft der Seafrance entscheiden sollte, beginnt bereits vor der Verhandlung mit einem Paukenschlag. Der Generaldirektor von Eurotunnel, Jacques Gounon hat erklärt, sein Unternehmen sei daran interessiert, sich als Mehrheitsgesellschafter an einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft zu beteiligen, die die drei großen Schiffe (also mit Ausnahme der NPC) übernimmt und an die SCOP weitervermietet. Dies jedoch nur im Fall einer Veräußerung der Aktiva nach einer Liquidierung der Reederei.

Die Protagonisten der SCOP haben diese Erklärung begrüßt und ihre Anwälte haben daraufhin erklärt, beim Gericht beantragen zu wollen, die Verhandlung auf nächste Woche zu vertagen.

Offenbar bekommt man bei der Kanaltunnelgesellschaft kalte Füße, daß LDA/DFDS im Fall einer Auflösung von Seafrance in Calais aktiv und für den Tunnel zu einer äußerst unbequemen Konkurrenz werden könnte. Der CFDT wiederum kommt diese unerwartete Vertrauenserklärung mehr als gelegen, denn bisher haben sich, wie es heißt, nicht einmal 250 Mitarbeiter gefunden, die bereit wären, ihre Abfindung in die SCOP zu investieren. Damit hat die SCOP bisher erst 11 der benötigten 50 Millionen beisammen.

In einem weiteren Handlungsstrang hat der Generalsekretär der CFDT heute erklärt, daß ein Ausschluß führender Funktionäre aus der lokalen Organisation in Calais wegen unehrenhaften Verhaltens wahrscheinlich sei, wenn sich gewisse Verdächtigungen bestätigen sollten. Es geht dabei vor allem um Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung des Betriebsrats. Die CFDT-Funktionäre Capelle und Vercoutre verweigern seit Jahren trotz mehrerer Gerichtsurteile die Herausgabe der Unterlagen. Dabei haben sie sogar die Zahlungen von Zwangsgeldern in erheblicher Höhe in Kauf genommen. Aus der Kasse des Betriebsrats, versteht sich.
Außerdem läuft noch ein Verfahren wegen bandenmäßigen Diebstahls durch Mitarbeiter aus den Läden an Bord der Fähren. Laut dem Untersuchungsrichter sind über Jahre große Mengen an Spirituosen verkauft, von den Kunden zurückgegeben und erstattet worden, ohne daß die Flaschen jemals wieder irgendwo aufgetaucht wären. Auch sollen von bestochenen Mitarbeitern an gewerbsmäßige Schmuggler Zigaretten in unzulässigen Mengen verkauft worden sein.

Das gesamte Servicepersonal an Bord war auf Betreiben der CFDT vor Jahren dem kaufmännischen Bereich überstellt und damit dem Kommando der Kapitäne entzogen worden.
Man muß dazu wissen, daß Kapitäne und Offiziere bei der Seafrance nicht der CFDT angehören.

In einem Bericht des Rechnungshofs war schon 2009 die Rede von mafiösen Strukturen im Umfeld der CFDT in Calais.

Die Herren Capelle und Vercoutre sind bereits wegen tätlicher Übergriffe, u.a. auf eine Polizeibeamtin bei einer Demonsration in Le Havre, rechtsgültig vorbestraft. Kritiker des SCOP-Projekts, Gewerkschaftskollegen und Journalisten hatten in den letzten Tagen wiederholt Drohmails und -anrufe erhalten.

Quelle: Libération, Nord-Littoral

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