Dienstag, 28. April 2009

Charleroi: Duferco erwägt neue Kokerei


Bei Duferco in Charleroi sind sie, nach einem Bericht im Le Soir von heute, zu der Einsicht gelangt, daß die Stillegung der Kokerei in Marchienne ein Fehler war. Jetzt denkt Antonio Gozzi, der Präsident von Duferco Belgien, über einen Neubau nach, und das immerhin schon öffentlich.

Anlaß für diesen plötzlichen Sinneswandel ist, daß die Qualität des vom russischen Finanzpartner Novolipetsk Steel bezogenen Kokses beim Betrieb des Hochofens in Marcinelle Probleme bereitet. In der Überlegung ist nun eine neue, besonders umweltfreundliche Kokerei vor Ort mit einer Kapazität von 700.000 Jahrestonnen im Verbund mit einem Kraftwerk von 80 MW zur Verstromung des beim Kokereiprozess anfallenden Gases - angeblich eine Investition von rund 200 Mio. Euro.

Der Hochofen ist zwar abgeschaltet und wird frühestens im September wieder in Betrieb gehen, aber man müsse auch in schwierigen Zeiten an die Zukunft denken, so Gozzi. Das Unternehmen beschäftigt in Charleroi, La Louvière und Clabecq rund 3500 Mitarbeiter.

Illustriert wird der Bericht in der Online-Ausgabe des Blatts übrigens mit einem Archivbild der Agentur Belga. Es zeigt... den 2001 stillgelegten Hochofen in Clabecq.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie wollen im Ernst eine neue Kokerei bauen - wobei der Betrag von 200 Millionen auffällig niedrig erscheint, wenn man bedenkt, daß Schwelgern ohne Kraftwerk und Trockenlöschung schon 800 Mio. gekostet hat - oder das ist alles nur der medienwirksame Hilferuf eines Country Managers, dessen Hochofen vom russischen Importkoks Aufstoßen und Sodbrennen kriegt und der nun aus Italien Druck bekommt, weil er die früheren Produktionsmengen nicht mehr erreicht. Wir werden sehen.

Bis es soweit ist, wird noch viel Heizöl die Sambre hinunterfließen.

Quelle: Le Soir
Bild: alte Kokerei Marchienne, Anfang 2008 stillgelegt (Pentax *istDS, SMC-M 3,5/135 mm)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

So abseitig erscheint mir die Preisvorstellung nicht. Schon eine Übeschlagsrechnung zeigt, daß die Größenordnung stimmt: Schwelgern 800 Mio Euro, 2,7 Mio Jahrestonnen, macht 300 Euro Investitionen pro Jahrestonne. 700.000 Jahrestonnen mal 300 Euro pro Tonne macht - 210 Millionen. Wählt man herkömmliche Öfen, käme man für so eine Taschenkokerei mit etwa 50 Öfen und damit mit einer Batterie aus und könnte nicht zuletzt wegen der geringen Umschlagkapazitäten mit weniger Investitionen pro Tonne auskommen als bei einer Großanlage wie Schwelgern - womit wir eben bei 200 Millionen wären.

Interessant ist die Frage, ob an herkömmliche Öfen oder an Heat Recovery-Technologie gedacht wird. Bei letzterer erledigt man per Unterdruckbetrieb und vollständiger Verbrennung der Koksgase zur Ofenbeheizung die Themen Nebenproduktgewinnung, Energieerzeugung, Betriebskosten und Umweltschutz auf einen Schlag; vgl. Seite 14f in dieser Uhde-Broschüre. In groß ensteht so eine Anlage derzeit beispielsweise auf der neuen Thyssen-Hütte in Brasilien.